In: Breysig, Kurt: Die Geschichte der Menschheit. Bd. 1: Die Anfänge der Menschheit; Neuausgabe der 2. Aufl. Berlin 2001, S. V-XXVII.

Hartmut Böhme

"Der Dämon des Zwiewegs".

Kurt Breysigs Kampf um die Universalhistorie.

Das gewaltige Lebenswerk des Historikers Kurt Breysig, das mehrere dutzend Bücher und über zweihundert Aufsätze umfaßt, steht in eigentümlichem Widerspruch zu seiner Wirkungslosigkeit nach 1945. Dabei ist Breysig einer der nicht eben zahlreichen Wissenschaftler, von denen nach ihrem Tod noch mehrere Bücher aus dem Nachlaß erschienen. Dazu gehört auch eines seiner Hauptwerke, die hier neu aufgelegte fünfbändige "Geschichte der Menschheit", die erstmals 1955 vollständig publiziert wurde fünfzehn Jahre nach dem Tod des Autors. Unermüdlich hat die Witwe, Gertrud Breysig, sich um das Werk ihres Mannes bemüht. Sie hat nicht nur unter abenteuerlichen Umständen das Manuskript der "Geschichte der Menscheit" gerettet und schließlich zur Publikation gebracht, sondern 1962 zusammen mit Michael Landmann aus dem Nachlaß auch Memoiren, Aufzeichnungen, Briefe und Gespräche Kurt Breysigs herausgegeben [1] sowie 1967 - 101 Jahre nach der Geburt Breysigs - eine liebevolle, kenntnisreiche und aus intimer Nähe geschriebene Biographie folgen lassen. [2] All dies hat den Prozeß des Vergessens nicht aufgehalten.

Nach dem 2. Weltkrieg hat sich die Geschichtswissenschaft vom Pfad der Universalgeschichte prinzipiell abgewandt, wie sie, wenn auch niemals unumstritten, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1933 immerhin möglich war - man erinnere sich an den freilich zwiespältigen Ruhm etwa von Karl Lamprecht (1856-1915) und Oswald Spengler (1880-1936). Nach den Jahren des Nationalsozialismus, der die Geschichtswissenschaft ideologisch imprägniert hatte, bestand eine große Abstinenz gegen Geschichts-Theorie und besonders gegen Universalgeschichte, die zugunsten einer analytischen Sachforschung von allenfalls mittlerer Reichweite entschlossen verabschiedet wurde. Breysig hatte, um weite historische Horizonte zu erfassen, einen Methoden-Synkretismus für notwendig gehalten; er umfaßte nicht nur das Gesamtfeld der Geschichtsforschung von der Urgeschichte bis zur Neuesten Geschichte, sondern ebenso die Ergebnisse der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie, der Religionswissenschaft, der Philosophie, der Ethnologie, der Kulturwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Linguistik, der Psychologie und der Philologien. Gerade diese ungeheure Streuung der Perspektiven sowohl in synchroner wie diachroner Dimension galt nun als verdächtig und notwendig zum Dilettantismus führend. Das wiederholte die alten Vorurteile der universitären Fach-Historie gegen eine interdisziplinäre, synthetische Kulturgeschichte.

Als dann nach der Studentenbewegung die Geschichtswissenschaft sich von Verfahren der Soziologie anregen ließ und die Sozialgeschichte vorübergehend modellbildend wurde, war dies kein Anlaß des Eingedenkens, daß Breysig bereits um 1900 die Sozialgeschichte zu einer wesentlichen Grundlage der Geschichtsschreibung erklärt und fortan in seinen Werken stets integriert hatte. Auch den vom Neomarxismus inspirierten Historikern nach 1967 fiel nicht auf, daß Kurt Breysig bereits 1926 eine gut 600 Seiten füllende Auseinandersetzung mit den Geschichtsauffassungen von Marx und Hegel vorgelegt hatte. Ebenso unbemerkt blieb, daß Breysig z.B. Fragen der Klassenentwicklung seit 1900 in seinen Werken durchgehend berücksichtigt hatte. [3] Unabhängig vom wissenschaftlichen Rang dieser vorlaufenden Unternehmungen wären die Historiker nach 1967 zu einer wenigstens wissenschaftsgeschichtlichen Würdigung Breysig verpflichtet gewesen. Und dies umso mehr, als der Freund und spätere Kollege Breysigs an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, Werner Sombart, durchaus als der erste bürgerliche Historiker anerkannt und wieder rezipiert wurde, der 1896, spät genug also, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Karl Marx begonnen hatte. Beide, Sombart wie Breysig, waren in Berlin Schüler des großen Gustav Schmoller und wurden von ihm promoviert. Beide blieben, aufgrund ihrer eigenwilligen Ansätze und ihrer Ferne zur quellenzentrierten Sachforschung, Außenseiter des Faches.

Als schließlich im Gefolge des bundesrepublikanischen Sozialgeschichtsschreibung das Paradigma der Strukturgeschichte entwickelt wurde, war vollends die Stunde verstrichen, um zu bemerken, daß Kurt Breysig in seinen auf langwellige Prozesse konzentrierten Werken im wesentlichen bereits Strukturgeschichte betrieben und sich seit 1905 und verstärkt in den 20er Jahren um eine Theorie dynamischer Strukturen der Geschichte bemüht hatte. [4] An dieser Vergessenheit änderte sich nichts, als in den 90er Jahren des 20. Jahrhundert mit der Kulturwissenschaft auch die Kulturgeschichte wieder reüssierte. Dies beförderte zwar die ohnehin seit den 60er Jahren wieder lebhafte Rezeption eines weiteren Berliner Freundes von Breysig, nämlich Georg Simmels, und führte zu einer vorsichtigen Erinnerung an einen großen Konkurrenten von Breysig, nämlich den Leipziger Kulturhistoriker Karl Lamprecht: Breysig selbst aber wurde einmal mehr übergangen. Aufschlußreich ist, daß Hans-Ulrich Wehler in seinem Buch "Die Herausforderung der Kulturgeschichte" [5] mit Sigmund Freud und Max Weber zwar zwei Zeitgenossen Breysigs ein eigenes Kapitel einräumt, ebenso wie der "Kulturanthropologie", aber Breysig nicht ein Mal erwähnt [6] : dabei war es Breysig als Historiker gewesen, der sich um die prinzipielle Integration der Psychologie [7] (einschließlich der sexuellen Dynamiken) und der Soziologie in die Geschichtsschreibung bemüht hatte; und Breysig war der erste, der die Forschungsergebnisse der Kulturanthropologie systematisch und kompetent in seine Werke integrierte. Und als seit den 80er Jahren die Mentalitätsgeschichte und historische Anthropologie und mit ihnen die "longue durée" von Geschichtsverläufen wieder nachdrücklich in die Historie eintraten, so geschah dies unter dem Eindruck der französischen Annales-Schule, obwohl auch hier Kurt Breysig sowohl in seinen 'langwelligen' Geschichtsdarstellungen wie auch in seinen theoretischen Abhandlungen vorangegangen war. Das spricht nicht gegen die französischen Mentalitätshistoriker und ihre großartigen Leistungen, wohl aber gegen die wissenschaftsgeschichtliche Vergeßlichkeit der deutschen Historie.

Das Ergebnis ist:  Studierende der Geschichtswissenschaft und vermutlich ein Großteil der Zunft werden heute mit dem Namen Kurt Breysig nichts mehr verbinden. Breysig ist in der Geschichts- und Kulturwissenschaft eine Null-Existenz. Dies ist erklärungsbedürftig, doch eine Erklärung ist nicht einfach, so daß der Leser sich etwas gedulden muß.

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Kurt Breysig wurde am 5. Juli 1866 geboren. Sein Vater war Altphilologe und Gymnasiallehrer. Seine Jugend verbrachte Breysig in Erfurt. Zum Studium, zunächst der Rechtswissenschaft, ging er nach Berlin. Nach zwei Semestern an der Tübinger Universität, wo er, was lebenslange Folgen hatte, auch die Kunstgeschichte wählte, kehrte er nach Berlin zurück; fest für die Geschichtswissenschaft entschieden. Er wurde Schüler von Gustav Schmoller, hörte aber auch Heinrich von Treitschke (1834-1896), gegen dessen Deutschnationalismus er bald opponierte, ferner Reinhold Koser und Hans Delbrück. Breysig las, nach eigener Aussage [8] , dreißig Bände Leopold von Rankes (1795-1886), der von 1834 bis 1871 an der Berliner Universität wirkte und noch immer als Doyen der Geschichtsschreibung und Begründer einer quellenorientierten, 'objektiven' Forschung und des Historismus galt. Gustav Schmoller (1838-1917), seit 1882 Professor in Berlin, war Begründer der Wirtschaftsgeschichte. Aus seinen späteren Interessenfeldern, der Finanz- und Verwaltungsgeschichte, wies er Breysig ein Dissertationsthema über die brandenburgisch-preußische Finanzverwaltung von 1640-1698 zu. 1890 wurde Breysig promoviert. Dem jungen Wissenschaftler übertrug Schmoller die Edition und Kommentierung der Akten zur "Entwicklung des preußischen Ständetums von seinen Anfängen bis zum Regierungsantritt Friedrich Wilhelms" (1894/99). 1892 wurde Breysig habilitiert und erhielt 1896 eine außerordentliche Professur. Bis zu seiner freiwilligen Emeritierung 1933 lehrte er vier Jahrzehnte an der Berliner Universität. Als der erst Dreißigjährige zum Professor berufen wurde, hatte er durch jahrelange Quellen- und Archivarbeit bewiesen, daß er das Handwerk des Historikers professionell beherrschte. Einer Karriere auf den Spuren Rankes oder Schmollers stand nichts im Wege. Aber so kam es nicht.

Bereits die erste Vorlesung des jungen Privatdozenten von 1893 handelte "Über die Entwicklung der führenden Völker Europas in der neueren und Neuesten Zeit" [9] und belegt damit eine deutliche Abkehr von der kleinteiligen Archiv-Forschung und die Hinkehr zu einer großflächigen historischen Synthese. Diese Vorlesung legt bereits den Grund für die 1901 publizierte, bald 1700 Seiten starke "Kulturgeschichte der Neuzeit", die Breysig indes nur bis ins spätere Mittelalter führen konnte, also bis zum Beginn derjenigen Epoche, welche abzuhandeln der Titel versprach: letztlich bleibt das Werk eine gewaltige Ruine. Deutlich aber wurde schon das monumentale Programm, Geschichte in langen und parallelen Entwicklungsreihen zu rekonstruieren, die bis zur Urgeschichte zurückreichen. In den 90er Jahren liest Breysig intensiv Friedrich Nietzsche, publiziert 1896 in Schmollers Jahrbuch einen programmatischen Aufsatz über "Nietzsches ethische und soziologische Anschauungen" und spricht bei Nietzsches Beerdigung ein Grabrede - eine höchst ungewöhnliche Geste für einen preußischen Professor. [10] Wie schon den kranken Nietzsche, der für Breysig zum "Urbild" seiner eigenen "bauenden, begrifflichen  Wissenschaft" [11] wurde, so hatte Breysig in diesen Jahren auch den 78jährigen Jacob Burkhardt in Basel aufgesucht, dessen kunst- und kulturhistorische Studien zum methodischen Modell für Breysig wurde: "unser erster Kulturhistoriker" nennt er ihn, dessen stilistische Eleganz allerdings für Breysig unerreichbar blieb. [12]

Mit dem seit 1891 in Leipzig lehrenden Karl Lamprecht steht Breysig spätestens seit 1896 in Kontakt. Lamprechts monumentale, insgesamt 19 Bände umfassende "Deutsche Geschichte" begann 1891 zu erscheinen (abgeschlossen 1909). Sie löste den sog. Lamprecht-Streit um das Modell einer Kulturgeschichte aus und führte zu deren scharfer Verwerfung seitens der deutschen Historiker der Ranke-Tradition. Nun war es Breysig, der 1900/1 seinerseits eine dreibändige "Kulturgeschichte der Neuzeit" [13] vorlegte, die von den "Historikern der Ranke-Nachfolge ... mit eisigem Schweigen" beantwortet wurde. [14] Lamprecht hingegen schreibt an Breysig: "Lassen Sie uns zusammenhalten." [15] was nach dem "Lamprecht-Streit" nicht wunder nimmt: beide gelten fortan als Hauptvertreter einer verdächtigen Kultur- und Universalgeschichte. Gegenüber 'Geschichte' erschien 'Kultur' als vager Sammelbegriff, der zwar einen synthetischen Anspruch auf historische Synoptik, mit ihm aber auch, gegenüber dem "eigentlichen Arbeitsgebiet der Geschichte" (so der Historiker Dietrich Schäfer schon 1888), eine illegetime Aufwertung von Nebenwegen und Randständigkeiten gegenüber dem Hauptstrom politischer Geschichte beinhaltete. Obwohl Breysig und Lamprecht, im Verhältnis zu solchen Positionen, im selben Lager standen, bleibt Breysig zu Lamprecht auf Distanz; er anerkennt ihn als Weggefährten, wirft ihm aber immer wieder ökonomischen Determinismus und die Dominanz des Kollektivs vor (gegenüber der geschichtsbildenden Kraft der 'großen Einzelnen'). Das waren übrigens auch Argumente der Gegner der Kulturgeschichte.

1899 schließlich lernte Breysig im Hause von Reinhold Lepsius den Dichter Stefan George kennen, zu dem er, bis zum Bruch 1917, fast zwei Jahrzehnte eine Beziehung pflegte und bis ins letzte Lebensjahr 1940 als Lyriker hoch bewunderte [16] : nach der Begegnung mit der Kunstgeschichte war dies die Initiation in die Wortkunst und beide werden zu tragenden Säulen der mental-kulturellen Seite der Breysigschen Geschichtskonstruktion. So ist es keine Seltsamkeit, sondern die Konsequenz einer Hochachtung von Literatur und Kunst, wenn sich fast am Ende des 5. Bandes der "Geschichte der Menschheit" mehrere Dutzend Verse Georges, kommentiert von Breysig, finden. [17] In der "Geschichte der Menschheit" finden wir von der Urgeschichte an die Entwicklung der Künste umfassend berücksichtigt und dies ist ein Faktum, das Breysig von den zünftigen Historikern positiv unterscheidet. Während er gerade darin eine systematische Nähe zu Zeitgenossen wie Georg Simmel, Ernst Cassirer oder Aby Warburg aufweist, an deren Luzidität er freilich nicht heranreicht.

Angesichts solcher Konstellationen, die den jungen Breysig sich als "Ketzer" fühlen lassen, ist es kein Wunder, daß der große Theologe Adolf von Harnack, seit 1888 an der Berliner Universität, dem jungen Professor aufgrund von dessen "immerhin exponierten Stellung" in der Zunft riet: "Ich würde nur an Ihrer Stelle zwischen Ihren allgemeinen Schriften Abhandlungen von ausgeprägt monographischem Charakter erscheinen lassen. Und wenn Sie die Kieselsteine auf dem Schlachtfeld von Leuthen zählen sollten." [18] Und Gustav Schmoller, sein immerhin wohlwollender Förderer, meinte gar, Breysig schaffe sich mit seiner universalgeschichtlichen Wende "ja nur ein neues Martyrium". [19]

Im Blick auf die universitäre Landschaft der Historie um 1900 hatten Harnack und Schmoller recht. Es war riskant, aus der Detailforschung auszusteigen (man denke an das Diktum von Aby Warburg: "Die liebe Gott steckt im Detail."), als junger Extraordinarius sich kapriziöse Vorlieben wie Nietzsche und George zu leisten und ins Weite und Hohe zielende Pläne zu hegen. Der Ruf als seriöser Quellenarbeiter, den Breysig sich erworben hatte, war schnell dahin. Mit der Universalgeschichte, die sich Breysig seit 1896 vornahm, war an deutschen Universitäten kein Lorbeer zu gewinnen: bis heute nicht. Und darin liegt ein erster Grund der Wirkungslosigkeit Breysigs in der Geschichtswissenschaft.

Und hätte man gesehen, welcher lebensphilosophische Enthusiasmus in Breysigs Projekt glühte, man wäre entsetzt gewesen. So heißt es in einer fast schon Stilformen des Expressionismus vorwegnehmenden Tagebuch-Aufzeichnung von 1896:

"Für eine universale Geschichte aber denke ich mir als die wichtigste Aufgabe: neue Aufgaben zu finden. Höher, immer höher! Die großen Entwicklungsphasen in ihrem Charakter erkennen, das soziale Moment im tiefsten Sinne zu ergründen , Einzelmensch und Genossenschaft einander gegenüberstellen, die Epochen des wechselnden Einflusses der einzelnen geistigen Seiten des Menschen auf seine Handlungen zu finden (Verstand, Gemüt, Phantasie), die innersten Errungenschaften der Literatur, des Rechts, der Religion, der Kunst aufzuspüren , im tollen Wirrwarr der politischen Geschichte das Allgemeine abzuschöpfen [...] Ich kann noch kaum ganz scharf abgrenzen, was ich vorhabe. [...] Wie großartig würde wirken unter lauter ganz allgemein gehaltenen Abschnitten ein Kapitel: Napoleon! Aber die geistige Kultur würde mich am meisten anziehen [...]. Dann das Recht als soziales Phänomen, die Kunst in ihrer ästhetischen Stufenfolge, die Erziehung, und so fort. Vor allem Nietzsches Programmforderung der Geschichte der praktischen Sittlichkeit. Alle bisher links liegengelassene Kulturvölker , Chinesen, Inder, Altmexikaner, heranzuziehen. Von den Barbaren wäre nur weniges zu sagen (Fühlung mit Bastainas Forschungen!). Schwarze, nicht. Hellenen; neuere Zeit! Für die Soziologie denke ich mehr an Deskription als an Normen. Doch werden sie nicht ausbleiben. Möchte ich doch beides vollenden dürfen!" [20]

 

In nervöser Kurzschrift finden wir hier den frühesten Entwurf für seine hochehrgeizige "Geschichte der Menschheit". Man spürt den elan vital der Lebensphilosophie und nicht umsonst tauchen als einzige Namen Napoleon und Nietzsche auf: übermaßstäbliche Menschen. [21] Sie sind es, die gegenüber den durchaus immer betonten Mächten der transpersonalen Strukturen, Konstellationen, Dynamiken, Institutionen, welche die Bewegungsrichtung der Geschichte bestimmen, von der Urzeit an immer wieder prägende Kraft auf die Geschichte erlangen, wie der Nietzscheaner Breysig meint. Und eben dieses dialektische Verhältnis von ingeniösem Einzelnen und kollektiven oder institutionellen Mächten ist bei Breysig ein Grundprizip der Darstellungsform von Geschichte. Überdeutlich ist die Absage an das, was Harnack ihm empfohlen hatte: die Detailarbeit des historischen Kärrners. "Der Schritt von einer Soziologie", sagt Breysig in derselben Eintragung, "zur archivalischen Kleinarbeit wäre unmöglich. Überall spüre ich auch dabei den hebenden Einfluß Nietzsches". [22] Kein Maulwurf, sondern Adler sein! Die Ästhetik des Erhabenen steht hinter dem universalgeschichtlichen Flügelschlag dieses enthusiasmierten Jungprofessors. Und Vorurteile: zwar Hinweise auf außereuropäische Hochkulturen, aber eine üble Herablassung gegenüber "Barbaren" und gar "Schwarzen", die er, ganz ähnlich wie Hegel, aus der Geschichte überhaupt ausschließen möchte. Das aber wird so nicht bleiben. Was Edward B. Tylor "Primitive Culture" [23] genannt hatte, wird Jahre an Arbeit von Breysig beanspruchen und in der "Geschichte der Menschheit" zwei Bände füllen (seitenmäßig die Hälfte des Gesamtwerkes). Dafür hat Breysig sich die deutsche, australische und amerikanische Kulturanthropologie aneignen müssen.

1897 beginnt Breysig den sozialdemokratischen "Vorwärts" und "Die neue Zeit" zu lesen, befreit sich vom christlichen Glauben (sicher auch unter dem Einfluß Nietzsches) und von monarchisch-deutschnationalen Ideologien. In der bereits zitierten Tagebuch-Eintragung vom 31.12.1900 heißt es:

"Nun aber endlich, endlich die Hauptsache: das Vollendete (= die "Kulturgeschichte der Neuzeit", H.B.) gehört der Vergangenheit an, wichtig ist allein die Zukunft. So ist denn das eigentliche Ergebnis dieses Jahres, daß ich den Plan einer Weltgeschichte gefaßt habe. Im Frühling 1896 plante ich wohl die Geschichte des Menschen, also nur Geschichte der Persönlichkeit; am 23. März 1900 aber, am selben Tage, an dem ich das Vorwort der Kulturgeschichte unterschrieb, zog ich die einzig mögliche Konsequenz meines bisherigen Zeitalterparallelismus und beschloß, alle Völker des Erdballs heranzuziehen. Meine systematische Neigung will Vollständigkeit." [24]

Damit werden an Silvester 1900 die Brücken zu einer historischen Detail- und Quellenarbeit in mikrologischer Ausrichtung endgültig abgebrochen. Nicht ohne mythisierende Stilisierung wird die 'Geburt' der Universalgeschichte auf ein symbolisches Datum, ja eine Unterschrift verlegt, als handele es sich um einen magischen Pakt. [25] Am 29. Mai 1902 heißt es dann:

"Die Geschichte der Menschheit: Zum Vorwort.

Vier Ziele verfolgt dieses Werk:

1. die Austilgung aller Beschreibung um der Beschreibung willen; begriffliche Ordnung,

2. die Gleichstellung geistiger und gesellschaftlich-staatlicher Geschichte;

3. die Vergleichung aller einzelnen Volkstumsentwicklungen,

4. die gesellschaftsseelische Deutung.

[...] Schluß: Erinnerung an Herder. [...] Kulturgeschichte war zu eng." [26]

Mit Johann Gottfried Herder hat Breysig eine weitere Referenzgröße gefunden für das, was er "vergleichende Universalhistorie" [27] nennen wird (nicht zufällig ist Herder auch für Karl Lamprecht das große Vorbild). Seine eigene, gerade veröffentlichte "Kulturgeschichte der Neuzeit" erscheint ihm nun in ihrer Europazentrierung bereits als "zu eng". Damit aber ist der Weg Breysigs als Außenseiter deutscher Geschichtswissenschaft vorgezeichnet.

So ist es kein Wunder, daß er auf ein Ordinariat lange zu warten hatte. Erst 1923 wurde der nun schon 57jährige Breysig endlich vom preußischen Kultusminister, dem Orientalisten und Gründer der Dichterakademie, Carl Heinrich Becker (1876-1933), auf den Lehrstuhl für Universalgeschichte und Gesellschaftslehre berufen , eine wahrhaft auf Breysig zugeschnittene Denomination. Sie anerkannte sein Werk und sein wissenschaftliches Profil und zementierte zugleich seine Randstellung.

In den 20er Jahren festigte Breysig in einer großen Zahl von Büchern vor allem die theoretische Basis seiner Geschichtskonzeption und fügte der Multidimensionalität seiner Historie noch eine weitere, durchaus Herdersche Dimension hinzu: nämlich die Natur und die Naturwissenschaften. Dazu beschäftigte er sich mit der Geschichte der Naturwissenschaften und Problemen der Physik des 20. Jahrhunderts, was ihn auch zu Max Planck und Niels Bohr in brieflichen Austausch treten ließ. Ohnehin war der Biologe und Leipziger Professor für Philosophie Hans Driesch (1867-1941) seit langem sein Vertrauter und Ratgeber in epistemologischen Fragen. Der Vertiefung der Humangeschichte um Naturgeschichte, durchaus eines der schwierigsten Probleme der Historie, versuchte Breysig konzeptuell Herr zu werden in den beiden Bänden "Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte" (Berlin 1933) und "Vom Naturgeschehen zum Geistgeschehen" (Berlin 1935). Für die "Geschichte der Menschheit" hat diese neuerliche Erweiterung des Formenkreises der Universalhistorie zur Folge, daß Breysig schon für die frühen Kulturstufen den Stand der naturbearbeitenden Techniken und des naturkundlichen Wissens (noch vor der Ausdifferenzierung von Wissenschaften) berücksichtigt. Strukturbildend wird dies jedoch für die drei Bände über die Hochkulturen und die neuzeitlichen Zivilisationen nicht. Von einem modernen Konzept der Umweltgeschichte und Technikgeschichte ist Breysig noch weit entfernt. Der wichtigste Beitrag zu einer Konzeptualisierung der Geschichtsschreibung in diesen Jahren ist sicherlich der dritte Band der Reihe "Vom geschichtlichen Werden", den Breysig 1928 unter dem nicht eben profilierten Titel "Der Weg der Menschheit" veröffentlicht: hier zieht Breysig die Summe aus seinen theoretischen Versuchen zur Morphologie und Dynamik historischer Bewegungen, eine Art historischer Kinetologie.

Es sind Jahre auch von wohltuenden Ehrungen, so etwa zu seinem sechzigsten und siebzigsten Geburtstag 1926 und 1936. Aus dem Universitätsleben hat Breysig sich 1933 zurückgezogen, um die "Geschichte der Menschheit" zu vollenden. Es ist das Jahr aber auch der Übernahme der Macht durch das nationalsozialistische Terrorregime. Über politische Stellungnahmen oder Kommentare des liberal-bürgerlichen Breysigs zu den Nazis wissen wir nichts. Wohl aber lassen sich Spuren lesen, die deutlich machen, daß auch in das abgeschiedene Rehbrücke bei Potsdam, wo Breysig seit 1912 wohnt, Sorgen und Ängste einzogen. Denn die vierte und letzte Ehefrau, eben Gertrud Breysig, ist Jüdin. Breysig hatte die viel jüngere Frau 1920 kennengelernt und 1924 geheiratet. Einige Schüler Breysigs mußten ins Exil gehen, ebenso sein Breslauer Verleger Theodor Marcus. Es gelang, den Walter de Gruyter-Verlag als neuen Verleger der Schriften Breysig zu gewinnen. Hier erschienen noch die ersten beiden, definitiv abgeschlossenen Bände der "Geschichte der Menschheit": "Die Anfänge der Menscheit" und "Völker der ewigen Urzeit" (beide 1939). Am 16. Juli 1940 starb Breysig in seinem Haus.

Noch während des Krieges erschienen aus dem Nachlaß "Der Wille der Welt" (1942), "Gestaltungen des Entwicklungsgedankens" (1942), "Das neue Geschichtsbild im Sinn der entwickelnden Geschichtsforschung" (1944). Letzteres Buch rechtfertigt noch einmal die schon 1928 begriffsschärfer dargestellte Theorie der parallelen Entwicklungsreihen der Universalgeschichte und enthält dankbare und ausführliche Würdigungen der Vorbilder und Lehrer der Jugend, Jacob Burkhardt und Gustav Schmoller, aber auch des Heidelberger, dann Straßburger Theologen Heinrich Holtzmann (1832-1910), einem der Begründer der historisch-kritischen Methode, des französischen Historikers Augustin Thierry (1795-1856), auf den ihn Burkhardt schon 1896 hingewiesen hatte, des deutschen Verfassungsgeschichtlers und Rechtsstaats-Theoretikers Rudolf Gneist (1816-1888) und anderer, die Breysig als Vorläufer seines Konzepts einer entwickelnden und vergleichenden Universalhistorie für sich reklamierte. [28] All dies sind Lautzeichen des Abseits, in größter Ferne zur gleichzeitigen imperialen Übernahme der deutschen Geschichte durch den Nationalsozialismus. Aber es sind alles auch Reminiszenzen einer untergegangenen Zeit, des 19. Jahrhunderts nämlich, in welchem Breysig am tiefsten wurzelte.

Doch weder das intellektuelle noch das räumliche Abseits in Rehbrücke war ein sicherer Ort. Solange Breysig lebte, war seine Frau einigermaßen vor Zugriffen des Regimes und seiner Rassepolitik geschützt. Gertrud Breysig erinnert sich:

"Zu Ausgang des Jahres 1943 standen im Arbeitszimmer meines Mannes in Potsdam-Rehbrücke noch alle Handschriften und Vorveröffentlichungen geordnet wie er sie hinterlassen hatte; nur die Abschriften der zehn unveröffentlichten Nachlaßbände waren in zwei starken Reisetaschen abgesondert bewahrt, griffbereit für die Stunden des Fliegeralarms. Im Januar 1944 aber wurde das Haus und aller Besitz von der Gestapo beschlagnahmt." [29]

Gertrud Breysig wurde nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte. Als sie 1949 nach Berlin zurückkehrte, versuchte sie zu ermitteln, was mit dem Nachlaß Breysigs geschehen war. Man hatte 1941 vorsichtshalber eine Stiftung zur Sicherung der Schriften eingerichtet. Dies hatte vor dem Zugriff der Gestapo nicht geschützt. Nur die Rechte des De Gruyter-Verlages auf Nachlaß-Manuskripte wurden anerkannt. Doch deren Abholung wurde erst ein Jahr nach Beschlagnahme und Versteigerung des Hausrats erlaubt. In aller Eile durften Verlagsangestellte drei Kisten von überall verstreuten Manuskripten und Schriften zusammenraffen. Vieles blieb zurück und wurde von einquartierten Bewohnern, vermutlich Ausgebombte aus Berlin oder Flüchtlinge aus dem Osten, verheizt. Die geretteten Kisten wurden erst 1949 von Gertrud Breysig wieder ausfindig gemacht: aus ihnen rekonstruierte sie die drei noch unpublizierten Bände der "Geschichte der Menschheit". Habent Sua fata libelli.

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Damit ist die Editions-Lage dieses Opus Magnum Breysigs bestimmbar. Idee und Konzept stammen aus den Jahren um 1900. Den ersten Band der "Geschichte der Menschheit" veröffentlichte Breysig 1907. Diese frühe Fassung geht umgearbeitet und verkürzt, als Buch I und II, in den endgültigen, 1939 publizierten Band II "Völker der ewigen Urzeit" ein. Der Band I von 1939: "Die Anfänge der Menschheit", von allen fünf der umfangreichste, wurde in den dreißiger Jahren neu geschrieben. Vorveröffentlichungen gibt es in Schmollers Jahrbuch schon bald nach 1900. Durchaus unklar ist, wann dieser neue Band I konzipiert und wann die wissenschaftlichen Recherchen dafür abgeschlossen wurden. Denn die Forschungs-Referenzen, insbesondere die Hauptzeugen, beziehen sich überwiegend auf ethnologische Arbeiten des 19. Jahrhunderts. Einige Fußnoten weisen auch Arbeiten kurz nach 1900 auf, ganz wenige, offensichtlich nachgetragene Anmerkungen verweisen auf Forschungen der 20er Jahre. Insofern darf man sagen, daß die wissenschaftlichen Recherchen für die Bände I und II im wesentlichen in den Jahren nach 1900 abgeschlossen waren, als Breysig eine mehrjährige Lektüre-Phase mit ethnologischer und kulturanthropologischer Literatur zubrachte. Band II ist Lewis Henry Morgan (1818-1881), "dem Schöpfer der neuen Urzeitwissenschaft zum Gedächtnis" gewidmet. Dessen Buch "Ancient Society" (1877) beeinflußte nicht nur Marx und Engels, sondern kann geradezu als Grundriß des entwicklungsgeschichtlichen Aufbaus von Band I und II bei Breysig gelten. Breysig war schon in Vorlesungen von Gustav Schmoller erstmals  auf Morgan aufmerksam geworden. [30] So ist die Aussage von Gertrud Breysig zwar richtig, daß Breysig in den dreißiger Jahren sich der "Geschichte der Menscheit" mit voller Kraft widmen wollte und den Band I vollständig neu geschrieben habe: doch konzeptuell und vom Stand der Forschung her gehören die ersten beiden Bände ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Noch problematischer steht es mit den drei Folgebänden. Sie sind "unvollendet" (so Gertrud Breysig auf dem Vorsatzblatt zu Band III), was die Herausgeberin nicht hindert, jedem der fünf Bände eine Seite voranzustellen mit der Aussage "Abgeschlossen in fünf Bänden". In ihren überaus sparsamen Mitteilungen sagt die Herausgeberin (die als solche nicht auftritt): "Es findet sich ausschließlich Breysigs eigener Text in diesen Bänden mit einer einzigen Ausnahme: die Ergebnisse der griechischen Reise wurden aus seinen Notizzetteln in Sätze übertragen." (Bd. III, Vorsatzblatt).

Aber was heißt "Breysigs eigener Text"? In ihrer Biographie teilt Gertrud Breysig folgendes mit: "Die sechs Jahre (= 1949-1955, H.B.) bis zum Erscheinen der abgeschlossenen Geschichte der Menschheit gehörten dem Wiederaufbau von deren drei unveröffentlichten Bänden aus geretteten Handschriften, aus vielen zum großen Teil nicht leicht zu ermittelnden Veröffentlichungen und aus ergänzenden Werkabschnitten in Breysigs eigenen Schriften." [31] Unmittelbar zuvor sagt sie, daß sie in den seinerzeit überstürzt gepackten Nachlaß-Kisten "den nahezu fertigen aus dem Nachlaß zusammengestellten Dritten Band der Geschichte der Menschheit" gefunden habe. Sicher ist: die Reisetaschen mit zehn unveröffentlichten, aber fertigen Nachlaßbänden waren und sind verloren. Aus dem Kisten-Nachlaß ist bestenfalls der III. Band ans Tageslicht gekommen. Was aber bedeutet: "nahezu fertig" und "aus dem Nachlaß zusammengestellt"? Wer 'stellte zusammen'? War es noch Breysig oder war es seine Frau? In jedem Fall gilt: die Bände IV und V sind Ergebnisse eines "Wiederaufbaus", der freilich nicht mehr zu rekonstruieren ist. Die Anteile Gertrud Breysigs sind hinsichtlich Band III vielleicht geringfügig, bei den Bänden IV und V jedenfalls erheblich, doch nicht kalkulierbar. Der behutsame Eingriff, von dem Gertrud Breysig in der Vorrede zu Band III spricht, verdeckt nachhaltig, daß die Bände IV und V insgesamt Re-Kompositionen verlorener, vielleicht fertiger Manuskripte darstellen – aus offensichtlich verschiedensten Quellen. Darum ist die Bemerkung "Abgeschlossen in fünf Bänden" irreführend.

Ferner enthalten die Bände III bis V keinerlei Fußnoten, so daß die Forschungsreferenzen Breysigs für diese Teile im Dunklen bleiben. Für den Band III, ab Buch II: Die Griechen, sowie für den Band IV: Buch I bis III, d.h. für 80% dieser beiden Bände, stellt dies freilich kein Problem dar: denn hierbei handelt es sich um eine gekürzte, nur teilweise kompositionell veränderte Fassung der Bände II und III der "Kulturgeschichte der Neuzeit" von 1901. Wer also wissen will, auf welche Forschungen die Bände III und IV der "Geschichte der Menschheit" Bezug nehmen, ist gehalten, die Bände II und III der "Kulturgeschichte der Neuzeit" zu konsultieren: hier sind sie verzeichnet. Damit aber wird vollends klar, daß nicht nur die Bände I und II, sondern auch die Bände III und IV konzeptionell-methodisch und teilweise auch textlich den Jahren um 1900 entstammen. Der geschichtswissenschaftliche Forschungsstand entstammt ebenfalls dieser Zeit. Der Band V der "Geschichte der Menschheit" schließlich, nämlich die Geschichte der europäischen Staaten von der Neuzeit bis 1900, behandelt genau den Zeitabschnitt, der das eigentliche Vorhaben der "Kulturgeschichte der Neuzeit" von 1901 gewesen war, wozu Breysig aber nicht gekommen war.

Damit aber ist das eigentliche Problem der ausgebliebenen Wirkungsgeschichte von Kurt Breysig folgendes: das, was 1955 als sein Opus Magnum publiziert wurde, ist nicht nur ein Fragment und hinsichtlich der Bände III-V unter undurchsichtigen Strategien  rekomponiert worden; sondern das Werk ist in historisch-materialer Hinsicht auf dem Stand von 1900. Das aber war 1955 für niemanden durchsichtig. Wir stehen damit vor der eigentümlichen Tatsache, daß Breysig nach seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit" (1901) und dem ursprünglich I. Band der "Geschichte der Menscheit" (1907) offensichtlich keine tieferen und gründlicheren Forschungsrecherchen für seine historischen Gesamtdarstellungen mehr vorgenommen hat. Vielmehr hat Breysig die konzeptuelle Seite seiner "vergleichenden Universalhistorie" ausgebaut, was an der großen Zahl theoretischer Monographien vor allem der 20er und 30er Jahren abzulesen ist. Diesen Konzepten hat Breysig die Darstellung des historischen Materials angepaßt, aber das Material selbst hat er nicht mehr weiterentwickelt. Insofern haben wir es in der "Geschichte der Menscheit" mit einem Werk zu tun, das im wesentlichen den geschichtswissenschaftlichen Forschungsstand des 19. Jahrhunderts wiedergibt, in der theoretischen Brechung und Form der Universalhistorie Breysigscher Prägung. Letztere aber geht, wie wir bereits sahen, auf Initial-Ideen von 1896 und 1900 zurück. [32] Damit kann als weiterer wichtiger Grund für die unterbliebene Wirkung Breysigs festgehalten werden, daß das 1955 publizierte Opus Magnum bei seinem Erscheinen bereits ein wissenschaftshistorisches Monument war, nicht aber ein in das rezente Diskurs-Feld der Geschichtswissenschaft gehöriges und dort seinen Ort dialogisch-kritisch behauptendes Werk. Das Interesse, das an Breysig zu nehmen ist, ist denn auch wesentlich ein wissenschaftsgeschichtliches.

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"Er war ja kein Fachmann, obwohl ein Fachmann der Kultur von der Urzeit bis heute", so schrieb der Kulturphilosoph Rudolf Pannwitz (1881-1969) im Vorwort zu den postumen "Tagen und Träumen" (1962) von Breysig. [33] Dies ist ein durchaus zwiespältiges Wort. Es erklärt, warum eine Geschichtswissenschaft, die eine Leistung am materialen Gewinn in speziellen Forschungsgebieten bemißt, an Breysig vorüberging und -geht. Breysig selbst war sich dieses Zwiespalts schon deswegen bewußt, weil er als junger Mann über Jahre hin staubtrockene Aktenforschung zu betreiben hatte. Und er kannte den Preis, der zu entrichten war, wenn er fortan kein Kärrner mehr sein wollte. Ein "Matryrium", wie Schmoller befürchtete, ist es indes nicht geworden. Doch es gibt so etwas wie die stille Rache der Kärrner an den Herrenreitern der Geschichte: sie werden ausgeschwiegen. Das ist Breysig widerfahren, weil er leichtsinnig genug war, nach 1900 keine Quellenarbeit mehr zu betreiben. Er kannte die Einwände gegen Gesamtdarstellungen, Universalgeschichte, Kulturhistorie und Geschichtstheorie.

Mit Recht hat er des öfteren betont, man könne nicht warten, bis die Einzelforschung fertig würde, um dann eine Synthese zu leisten: Einzelforschung wird nie fertig. Zu Recht hat er auch betont, daß jede Zeit dazu aufgefordert sei, ihr Gesamtbild von der vergangenen Geschichte zu entwerfen. Zu Recht, so kann man das Diktum von Pannwitz auch lesen, gibt es Experten, aber es muß auch Experten für das Allgemeine geben. Ein solcher wollte Breysig sein, nicht etwa aus Überdruß am Aktenstaub der Archive, sondern aus dem lebensphilosophischen Impuls, wonach Geschichtsforschung selbst ein Werk des Lebendigen für das Leben sein solle. Ihm war das Pathos des Detailisten nicht unbekannt, aber die Befriedigung versagt, die ein verbreiteter Historiker-Typ daraus zu ziehen vermag, wenn er zehn Jahre an einer mikrologischen Studie über eine mecklenburgische Gemeinde zwischen 1580 und 1600 gearbeitet hat und die Toten und ihre Einrichtungen nun besser kennt als die Lebendigen. Breysig wußte, daß eine solche Forschung der Sache nach notwendig und karrierepolitisch opportun war, wenn die universitäre Historie noch ganz im Bann von Ranke stand.

Gewiß auch dagegen opponierten Lebensphilosophie und Kulturgeschichte; Nietzsche hatte die Stichworte, Wilhelm Dilthey (1833-1911) die philosophischen Begründungen geliefert. Ersterer inspirierte Breysig zu seinem Bruch mit dem Ranke'schen Historismus, letzterer aber, den Breysig an der Berliner Universität als Kollegen noch kennenlernte, blieb eigentümlich spurenlos im Werk Breysigs. Er war zu sehr Vollblut-Historiker, um wirklich Geschichtsphilosophie zu betreiben. Seine Theorie wollte er selbst entwickeln. So gehört er zu dem Typus der Selbstdenker, mit all der Ambivalenz, daß darin der beste Begriff von Aufklärung sich ausdrückt, wie daß es mentale Bastelei werden kann. So hat Breysig sich sein eigenes System gezimmert, das höchsten Ansprüchen zu genügen und dem größten Forschungsfeld überhaupt, der Universalhistorie, standzuhalten hatte.

Doch er hat dabei auch schriftstellerische Fehler begangen. Nicht allein, daß er dem Rat Harnacks nicht folgte, gelegentlich mal eine Monographie über die Steine auf dem Schlachtfeld von Leuthen zwischenzuschieben - er hätte sich damit den Respekt der Fach-Kollegen erhalten -; sondern Breysig hat immer wieder von sich selbst abgeschrieben. Er war ein gnadenloser Selbst-Verwerter. Die Wiederholung aber ist eine rituelle Stilfigur. Sie soll das Gesagte durch Wiedersagen affirmieren: das ist mehr als verständlich, wenn man sich in ungesichertem Gelände bewegt und auf sich selbst angewiesen ist. Doch der ruhelose Jäger des großen Ganzen wird gerade durch diese Stilfigur zum Gefangenen: im Laufe der Jahrzehnte hat sich Breysig, gerade durch die Wiederholung, ins eigene System versponnen. Es wäre nicht nötig gewesen, ein Dutzend Bücher der "Geschichtslehre" zu schreiben: nach dem Einleitungsband zur "Kulturgeschichte der Neuzeit" hätte seine Kinetologie der historischen Bewegung in "Der Weg der Menschheit" von 1928 genügt. Breysig hätte Kapazitäten gewonnen, die der materialen Forschungsabsicherung seiner Gesamtdarstellungen zugute gekommen wären.

Doch rückwärtsgewendete Konjunktive sind sinnlos. Breysig wußte, was er tat, als er seinem großen Antrieb folgte. Er war, im Sinne von Michael Balint, ein Philobat: ein Mensch, der verschmolzen mit seinem Gerät, sprich: mit der konstruktiven Maschinerie seiner Theorie, die Lust der freien, möglichst schwerelosen, ja fliegerischen Bewegung über den unendlichen Landschaften der Geschichte liebte und genoß. [34] 1917 schreibt Breysig an Hans Driesch:

"Mit meinen Arbeiten steht es so: ich erlebe an meinem Buch über die äußere Staatskunst (wie immer von neuem in meinem Gesamtwerk, der Gesamtgeschichte, als deren Teil ich natürlich auch dies wieder ansehe), daß die unerhörte Mannigfaltigkeit des Geschehens mich brutalisiert. Die schlechthin furchtbare Alternative, die mich da bedroht (es ist das Kreuz meiner Sendung), ist die: entweder von oben her sehen und dabei leicht obenhin, oder aber sich einlassen in die Zahllosigkeit des Einzelgeschehens und dann um unwiederbringliche Jahre betrogen werden. In Wahrheit wäre ja meine Aufgabe nur zu lösen, wenn ich 120, noch lieber 200 Jahre alt würde! Und nun ist wirklich der aufreibende Kampf meines Werks und meines Lebens, die Mittellinie zu finden, die jene Möglichkeit (meiner Jahre, meiner Arbeitskraft) und die Sicherheit (meiner Forschung) vereinigt. Sie glauben nicht, wie wie oft und wie tief ich mich mit dem Dämon dieses Zwiewegs herumschlage." [35]

Deutlicher kann man es nicht sagen. Die ungeheure Vielfalt des Einzelnen wird zur Qual für denjenigen, der stets das Ganze will. Er fordert von sich den panoramatischen Blick, der im Feld der Geschichte nur Gott zukäme, und als menschlicher Blick "leicht obenhin" gerät. Und wenn das Panoptische, wodurch alle Zeitläufte zum Raum würden, nicht vergönnt ist, so wäre wenigstens die Streckung der Lebenszeit in biblisches Alter vonnöten, um durch Wissenskumulation in the long run zu einer Überschau des Weltganzen zu gelangen. Es ist ein megalomanisches Projekt, das Breysig umtreibt und er weiß von seiner übermaßstäblichen Dimension. Zwischen dem Imperativ der historischen Detailfülle und dem Imperativ des erhabenen Blicks  über das Ganze der Geschichte reibt sich Breysig auf. Nicht umsonst spricht er vom "Dämon des Zwiewegs". Der Text gibt etwas von einer fast mythischen Kampfszene preis. Er zeigt, daß Geschichtsforschung auch nach den performativen Gesetzen der Tragödie ablaufen kann.

In einer Aufzeichnung über ein Gespräch mit Werner Sombart notiert Breysig:

"I. Wäre ich eine Stunde der allmächtige Gott und wollte der Menschheit eine eigene Wonne des geistigen bereiten, so verliehe ich ihr die Fähigkeit, das ganze Geschehen der Menschheit oder der Welt mit einem Blick zu übersehen. Das würde sie das Werden sehen. Auch würde, wenn der Blick sich darin übte, das Werden als solches (wie der rote Faden in den Tauen der englischen Marine) hervortreten.

II. Ähnlich, wenn man in kinematographischer Verkürzung das Wachstum einer Pflanze in zeitliche Synkope sähe." [36]

Unverkennbar auch hier die divine Souveränität des Blicks, den Breysig wünscht, um das "Werden", die Bewegungsformen und -gesetze der Weltgeschichte, vor Augen zu stellen. Das Begehren des Historikers zielt auf das Unmögliche. Oder doch Mögliche: denn das zweite Gleichnis - aus der neuen Technik der Visualisierung, dem Film, entnommen, der durch Schnitt, Montage und Zeitraffer dasjenige sichtbar machen kann, was dem natürlichen Augen einzusehen unmöglich ist -, dieses zweite Bild  hält offen, ob der Historiker mit seinen 'technischen Verfahren', dem Rüstzeug der universalhistorischen Kinetographie nicht dennoch das Unmögliche bewerkstelligen könnte. Daran arbeitete sich Breysig sein Leben lang ab.

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Der heutige Leser sollte, wenn er etwas von Breysig haben will, ihm in dieser Stärke folgen. Dies ist die andere, die positive Seite des Diktums von Pannwitz. Es geht also darum, den spannenden Versuch zu studieren, wie Breysig die Vieldimensionalität und das Panomaratische des Universalhistorikers konstruiert und dabei eine eigentümliche Bewegungslehre, die Kinetographie der Geschichte entwickelt. Hierbei kommt es nicht auf das Gelingen, sondern den Versuch selbst an: in ihm spiegelt sich ein unerschöpflicher und uralter Wunsch des Menschen, den keine Wissenschaft befriedigen, den sie aber auch nicht disziplinär stillstellen oder gar abschaffen kann, weil er im letzten ihr eigener Antrieb ist.

In gewisser Hinsicht wird dies in der "Geschichte der Menschheit" selbst zum Thema. Von der Darstellung der australischen Aborigines im Band I an zieht sich die Frage hindurch, wie Kulturen oder, innerhalb ihrer, bestimmte Epochen sich Vorstellungen, Sagen, Riten, Mythen, Glaubensgehalte, Ahnenkulte, Kosmologien als Formen der Geschichtsüberlieferung bilden. Bei den Irokesen, einer von Breysig in Nachfolge von Morgan besonders hochgeschätzten Indianer-Kultur Nordamerikas, taucht zuerst ein Abschnitt "Geschichtsschreibung" auf. Bei den Griechen wird hervorgehoben, daß hier zum ersten Mal Geschichtsschreibung professionalisiert wird, worin ihnen die Römer folgen. Christliche Geschichtsschreibung findet im Rahmen der Heilsgeschichte Platz. Für das 18. Jahrhundert wird die Entdeckung des Entwicklungsgedanken betont, im 19. Jahrhundert die universitäre Geschichtsschreibung eigens abgehandelt unter dem Gesichtspunkt, inwieweit hier Universalhistorie vorbereitet wird. Daß es zu den Impulsen der Geschichte selbst gehört, daß sie reflexiv wird, wird noch ausführlicher in der "Kulturgeschichte der Neuzeit" berücksichtigt. Offensichtlich ist Breysig der Auffassung, daß von der Urzeit an ein stärker werdender Strom der Selbstthematisierung der Geschichte eben zur Bewegung der Geschichte selbst gehört: so daß in der jüngsten Entwicklung, nämlich der Gegenwart, die Universalhistorie als Gattungsform sich freisetzt, in welcher das Gesamt der Geschichte ihr Tableau und ihre Reflexion findet. So wird Geschichtsschreibung selbst zu einem Bewegungselement der Geschichte: in diesen transpersonalen Strom eines als Universalhistorie sich ausdifferenzierenden Geschichtsdenkens bettet Breysig seine eigene Konzeption ein: gut hegelianisch so, als liefe alle Geschichtsschreibung auf ihn zu.

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In dem theoretischen Grundbuch "Der Weg der Menschheit" (1928) fragt Breysig nach der "Kinetik der Bahnläufe menschlichen Geschehens". [37] Im Fortgang seiner Untersuchung diskutiert er verschiedene Möglichkeiten, "Bilder" dieses "Weges" zu finden: so etwa das der Bewegung anorganischer Massen entnommene Modell der Mechanik; oder das Modell des Kreislaufs im Sinne regelmäßiger Wiederholungen des Identischen in der langen Dauer von Zeit; oder das Bild des Pendelschlags der Geschichte; oder das der Botanik entstammende Bild des epigenetischen Wachstums von Kulturen; oder das Bild der baumartigen Verzweigung des Geschichtsverlaufs; oder die Idee des linearen (evolutiven) Fortschritts zu immer höheren Stufen; oder die Vorstellung des wellenförmigen Auf und Ab der Epochen; oder das – zeitweise von seinem Freund Hans Driesch bevorzugte – Modell der sukzessiven Kumulation (Häufung) von kulturellen Leistungen; schließlich auch das von Leo Frobenius (1873-1938) und seiner Schule, teilweise von Oswald Spengler benutzte Modell der Morphologie, also der räumlichen Verteilung von Kulturkreisen im synchronen Nebeneinander. All diese 'Leitbilder' des Geschichtsprozesses sind seit den ersten griechischen Philosophen und Historikern bis heute immer wieder herangezogen worden, um den Geschichtsverlauf sinnlich plausibel zu machen. Breysig befindet sie als nicht überzeugend. Einig weiß er sich mit all diesen Versuchen nur darin, daß sie, hinsichtlich des seit den Vorsokratikern reflektierten Gegensatzes von 'Sein' versus 'Werden', Geschichte grosso modo als einen Werde-Prozeß verstehen. Es gibt indes, so weiß Breysig, auch Kulturen, deren wesentliche kulturelle Anstrengung auf die Stillstellung der Zeit zielen ('Sein'). Sie bringen kein Geschichtsdenken hervor und schirmen sich möglichst gegen Einbrüche des Werdens ab. Auch dieses Modell ist für das Begreifen von Geschichte untauglich. Denn Geschichte ist eine spezifische Form der Bewegung, die komplizierteste und zusammengesetzteste überhaupt, wie Breysig meint. Dennoch, so argumentiert er weiter, kann man ohne vereinfachende Modell-Vorstellungen nicht auskommen: und so schlägt er das Modell der dreidimensionalen, stufig sich entwickelnden Spirale vor:

 

Quelle: Der Weg der Menschheit; Stuttgart und Berlin 1928, S. 26.

 

Bilder und Diagramme täuschen. In den Ausführungen zur Spirale betont Breysig, daß es eine Gleichförmigkeit der Bewegung im Einzelnen niemals gibt. Die Spiralform wird im Ganzen eingehalten, während es innerhalb von Bewegungsabschnitten Richtungsabweichungen, ja Schleifen und Gegenbewegungen, kurz, ständig Abweichungen von der Hauptrichtung des Ablaufes gibt (schlangenförmige, episodische, epizyklische Abweichungen von der Spiralbahn). Einzelne "Wegstrecken" auf der Spirale werden von unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich schnell durchlaufen: das führt auf das Breysig überall beschäftigende Problem der differenten Geschwindigkeiten, mit denen strukturell gleiche 'Epochen' (wie Altertum, Mittelalter) von Gesellschaften jeweils durchlaufen werden. Erhebliche Unterschiede herrschen auch bei den qualitativen Änderungen, so etwa, wenn eine Gesellschaft vom Altertum ins Mittelalter eintritt: dies kann durch langsam vorbereitende, sich stetig vollziehende Veränderungen geschehen (sukzessive Bahnrichtungs-Veränderung), aber auch durch relativ abrupte 'Wendungen' (Revolutionen), die gleichsam schlagartig die Strukturen einer Kultur umwälzen. Für das Bewegungsbild würde letzteres heißen, daß die Spirale dann viel weniger kreisförmig zu denken wäre, sondern eher einer extrem flachen Ellipse gleichkäme (mit entsprechender Bahnbeschleunigung am Scheitelpunkt).

Schließlich suggeriert das zweidimensionale Bild, als verliefe der historischer Prozeß auf einer Ebene: nach Breysig muß das Schema jedoch stereometrisch gesehen werden, also dreidimensional. Das führt auf das von Breysig immer wieder durchdachte Problem des "Ebenenwechsels". Kommt die Bewegung bei "c" an, so wiederholt sie nicht "a" in identischer Weise, sondern "c" befindet sich auf einer anderen Ebene, weist aber mit "a" gleichwohl strukturelle Gemeinsamkeiten auf. Damit ist ein weiteres Problem benannt, mit dem Breysig sich abplagt: nämlich das Verhältnis von Wiederholung und Neuem, von Identität und Differenz, von Allgemeinem und Singulärem. Geht Breysig einerseits davon aus, daß spätere im Verhältnis zu früheren Epochen strukturelle Analogien aufweisen (wenn sie auf analogen Bewegungsabschnitten der Spirale liegen), so macht die Dreidimensionalität der Spirale deutlich, daß jede Wiederholung immer auch eine Andersheit zum Wiederholten aufweist. Diese Andersheit beruht nicht nur auf der ontologischen Unwiederholbarkeit von Ereignissen, sondern der generellen Differenz des Ähnlichen. Darum kann Breysig durchaus Wiederholung und qualitative Verschiedenheit des Wiederholenden und des Wiederholten zusammen denken – und zwar aufgrund der Verschiebung der Ebenen zwischen "a" und "c".

Geschichtsforschung wird nun danach unterschieden, wo sie auf der Skala zwischen den kürzesten bis zu den längsten Entwicklungsreihen situiert ist. Der Typ empirisch-mikrologischer Geschichtsschreibung ist auf sehr kurze Entwicklungsreihen konzentriert, während naturgemäß die Universalhistorie auf die längsten Reihen gerichtet ist. Es gibt indes keine Lang-Reihen an sich, sondern diese werden erst aus den kurzen Ereignisketten als den Elementen der Gesamtbewegung zusammengesetzt. Alle Langreihen (wir heute sprechen von longue durée) müssen aus diesen Elementen erst synthetisiert werden. Dies geschieht durch Synopse im "Querschnitt" (Breysig spricht gelegentlich auch von räumlichen Zustandsbildern) sowie durch Erweiterung der Endpunkte einer Kurz-Reihe nach vorn und hinten, also im "Längsschnitt". Die Abstimmung von Quer- und Längsschnittanalysen macht die Kunst des Historikers aus. Dadurch wird deutlich, daß die Spiral-Linie eben keine Linie ist, sondern ein "Geflecht". Geflecht heißt bei Breysig, daß die historische Bewegung nur die 'große' Richtung bezeichnet, in die ein ganzes Bündel von dynamischen Faktoren wirkt und wodurch diese erst zum "Bewegungsgeflecht" werden. Jede Epoche wird durch ein ganzes Bündel von "Entwicklungsreihen" charakterisiert, die weder homogen noch gleichgerichtet sein müssen, die jedoch gleichwohl, als Geflecht betrachtet, eine "Bahn", "Richtung" und "Geschwindigkeit" hervorbringen. Breysig nennt dies das "Bahngewinde", das sich auch gegen die Abweichungen, Gegenläufigkeiten, partiellen Bremsungen usw. durchsetzt.

Zum Bild der Spirale ist anzufügen, daß es, dreidimensional gedacht, den Eindruck einer pyramidalen oder kegelförmigen Aufwärtsentwicklung macht. Doch kann man das Bild auch ohne weiteres umdrehen (invertieren), so daß die Pyramide auf dem Scheitel steht. Je nachdem, wie man die Kegelspirale dreht, 'bedeutet' sie etwas anderes: liegt, wie in der Abbildung, die Kegelspitze in der "Neuesten Zeit", so bedeutet dies zweierlei: die Entwicklung aller Kulturen hat in der "Urzeit" ihre Basis (die "Urzeit" ist die Universalie aller Kulturen); doch die meisten Kulturen erreichen die "neueste Zeit" nicht (sondern frieren irgendwo auf der Spirale ein, scheren aus dem "Bahngewinde" aus oder gehen unter). Invertiert man den Kegel, so daß die Spitze 'unten' in der "Urzeit" und die Basis 'oben' in der "Neuesten Zeit" zu liegen kommt, so bedeutet dies: alle Kulturen haben ihren "Ursprung" in einer 'engen', sprich: kaum ausdifferenzierten archaischen Kultur und erweitern Windung für Windung ihren Horizont, ihre institutionelle und symbolische Differenzierung und die Extension ihres Zugriffs, so daß Kulturen auf der Stufe "Neuester Zeit" tendenziell universalistisch, extrem ausdifferenziert, spezialisiert und expansiv wären. Die 'Höherentwicklung', die optisch vom Bild der dreidimensionalen Spirale nahegelegt wird, heißt keineswegs automatisch: qualitativer Fortschritt im Sinne des Evolutionismus, sondern zunächst dekriptiver: Ebenenverschiebung. 'Höher' heißt nicht 'besser'. Sondern eine Gesellschaft kann nicht Zustand "d" erreichen, wenn sie nicht die Zustände "a","b" und "c" als "Entwicklungsreihen" hinter sich gebracht hat. Dies kann langsamer, schneller oder auch gar nicht erfolgen; doch wenn "d" erreicht ist, müssen die vorangehenden "Stufen" der Entwicklungsspirale durchlaufen worden sein. Außerdem kann eine Kultur sehr schnell bestimmte Entwicklungen durchlaufen, gleichwohl im weltgeschichtlichen Prozeß untergehen: dies ist ihr kultureller Tod (ein Problem, das Breysig immer wieder bedenkt). So heißt das Erreichen von höheren Entwicklungsstufen keineswegs, daß damit die Reproduktionschancen einer Gesellschaft automatisch optimiert oder auf Dauer gestellt würden.

Diese Kinetographie des universalhistorischen Prozesses muß selbstredend am historischen Material demonstriert werden. Dies ist die Aufgabe der fünf Bände "Die Geschichte der Menschheit". Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: die in die Spirale eingezeichnete Begriffsreihe – Urzeit, Altertum, Mittelalter, Neuere Zeit, Neueste Zeit (sowie deren jeweilige Untergliederungen) – ist nicht im Sinne von Epochenbezeichnungen europäischer Geschichte zu verstehen, sondern als universal gültiger "Stufenbau" historischer Abläufe. So hat in absoluter Chronologie gesehen z.B. das Mittelalter ganz verschiedene Zeiten, je nachdem es eine bestimmte Epoche in der griechischen, römischen oder nordwesteuropäischen Kultur bezeichnet. Ferner können bestimmte Kulturen auf sehr frühen Stufen stehenbleiben, obwohl sie noch heute existieren, wie z.B. die australischen Aborigines, die nordamerikanischen Indianer oder die Eskimos (von Völkermorden an indigenen Kulturen bei der Begegnung mit europäischen Kolonialmächten berichtet Breysig durchweg offen). Andere Kulturen wie die Ägyptens, Assyriens, Akkadiens, Sumeriens, Kuschs usw. bilden hochentwickelte Staatsformen der Altertumsstufe mit allen dazugehörigen kulturellen Errungenschaften, doch gehen sie als Reiche unter und erreichen nachfolgende Stufenfolgen nicht mehr, jedenfalls nicht autogen. Ein Schema der zeitlichen A-Synchronie der Stufenfolge hat Breysig bereits dem III. Band seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit" beigefügt:

 

Quelle: Kulturgeschichte der Neuzeit, Bd. III; Berlin 1901, S. XXXIX

 

Mit solchen Überlegungen wirkte Breysig stark auf Oswald Spengler, der seine Universal-Morphologie auf die Gleichförmigkeit von 'kulturellen Gestalten' bei dennoch bestehenden Ungleichzeitigkeiten zwischen den 'großen' Kulturen gründete. [38]

Ungleichzeitigkeiten zwischen Kulturen erklärt Breysig nicht nur mit den differenten Dynamiken und Entwicklungsgeschwindigkeiten, die wiederum Effekte politischer, sozialer, ökonomischer, religiöser und kultureller Faktorenbündel sind. Sondern die Ungleichzeitigkeit entsteht auch durch die verschiedenen Zeitpunkte, an welchen Kulturen gewissermaßen die Weltbühne 'betreten' und zu 'agieren' beginnen. Daß es wiederum zwischen den verschiedenen Stufen in der Entwicklungsreihe einer Kultur bzw. zwischen den Kulturen auf verschiedenen Entwicklungsstufen zu strukturellen Korrespondenzen kommt, ermittelt Breysig durch Kulturkomparatistik, wie man es heute nennen würde. Der Vergleich ist der Königsweg seiner Methode.  Zum einen erfordert der Vergleich perspektivischen Abstand zu den Beobachtungsobjekten und zum anderen einen vorab eingestellten theoretischen Fokus des Blicks: man muß die Faktorenbündel, die politischen, rechtlichen, sozialen, technisch-wissenschaftlichen und kulturellen (mentalen, künstlerischen) Strukturmerkmale festlegen, auf die hin überhaupt unterschiedliche Gesellschaften beobachtet und dann verglichen werden. Auf dieser Grundlage gelangt Breysig zu seiner Hauptthese, wonach es, erstens, "Gleichförmigkeiten" zwischen Entwicklungsstufen verschiedener Kulturen gibt, so weit sie räumlich oder zeitlich auch auseianderliegen mögen; und wonach es, zweitens, eine 'Logik' zwischen den verschiedenen Stufen gibt, sprich: eine "Stufenfolge" oder eben das "Bahngewinde" und "Wegegeflecht" als Strukturgesetz aller Entwicklungen von Geschichte überhaupt. Zweifellos ist Breysig unterwegs zu einem struktural-dynamischen Konzept von Geschichte. Nimmt man seine Idee der Selbstbewegung hinzu, über die er mit Niels Bohr und Max Planck in Diskussion trat [39] , so hat er auch erste Schritte zu einem Konzept autopoietischer Systeme im historischen Raum unternommen.

Für die skizzierte Konzeption ist der Band "Der Weg der Menschheit" (1928) am wichtigsten. Breysig entwickelt hier nicht nur die begriffliche Struktur von Universalhistorie, sondern er stellt in Kurzform die drei spiraligen Kreisläufe der Geschichte dar; er benennt und erläutert die "Faktorenbündel", welche die Merkmale für die "Stufen" des Spiralganges abgeben; er untersucht das Verhältnis von Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit, von Querschnitts- und Längsschnitts-Analysen, die universalgeschichtlichen Beiträge (Leistungen) der jeweiligen "Bahnabschnitte" der Spiralbewegung sowie das Verhältnis von Richtungswechsel und Richtungskonstanz von historischen Prozessen. Dies ist hier nicht im einzelnen darzustellen. Anzumerken ist nur, daß man hier die theoretischen Grundlagen für die "Geschichte der Menschheit" findet. Denn letztere enthält keinerlei theoretische Explikation; nicht einmal werden die dargestellten historischen Sachverhalte auf das 1928 definitiv entwickelte Begriffsgefüge bezogen. Viel zu sehr ähneln die Darstellungen einzelner Kulturen oder Epochen Tableaus, also "Zustandsbildern" und damit explizit dem, was Breysig zugunsten des Prozeßhaften und des "Werdens" gerade vermeiden wollte. Das genetisch-dynamische bzw. kinetische Rahmenkonzept Breysig steuert die "Geschichte der Menschheit" nur implizit; die Steuerung selbst aber bleibt diskret. Die "Geschichte der Menschheit" will zwar nichts anderes sein als Darstellung. Sie ist eine Groß-Erzählung (das also, was heute für unmöglich gehalten wird). Doch das Struktur-Programm, das diese Erzählung steuert, ist kaum sichtbar. So ist dem Leser die begleitende Lektüre des früheren Bandes "Der Weg der Menschheit" anzuraten. Hier finden viele Merkwürdigkeiten der Darstellung der "Geschichte der Menschheit" ihre Erklärung. Das erschwert die Rezeption und ist der letzte Grund dafür, daß bei der Publikation 1955 die Wirkung ausblieb.

Abschließend soll der Aufbau von "Entwicklungseinheiten" in der "Geschichte der Menschheit" erläutert werden, und zwar nur am Beispiel der Irokesen im Band II: "Völker der ewigen Urzeit". Nahezu sämtliche Großkapitel aller Bände werden nach diesem Schema erzählt. Die grundlegende Unterscheidung ist die zwischen "Gesellschaft" und "Geist", also zwischen materieller und sozialer sowie symbolischer Praxis. Diese Unterscheidung gilt bei Breysig überall. Das Kapitel "Gesellschaft" unterteilt Breysig wiederum in "Gesellschaftsaufbau", "Innere und äußere Beziehungen" und "Lebensgestaltung": dabei werden auf der Grundlage ethnologischer Forschungen vor allem der USA die basalen Strukturen und Dynamiken der Verwandtschaftsbeziehungen und der Stammesverfassung untersucht, ferner die Klassen- und Familienstrukturen, die Rechtsordnung, die Beziehungsregelung zu anderen Stämmen, die Kriegstechniken sowie die Wirtschaftsformen und Alltagspraktiken mit ihren 'kleinen Moralen'. Das Großkapitel "Geist" wird in die drei Abschnitte "Glauben", "Wissen und Künste", "Schrift und Wort" unterteilt. Dabei untersucht Breysig, nach Forträumung späterer christlicher Imprägnierungen, das rituelle und symbolische System der Religion; die für die Irokesen charakteristische Medizin, Topographie (Raumordnung) und Geschichtsüberlieferung; sowie schließlich ihre Bilderschrift, ihre Gebärdensprache, die linguistischen Strukturen der Wortsprache und ihre Rhetorik. Man wird einräumen, daß damit eine ziemlich überzeugende Gliederung des Aufbaus einer Kultur gelungen ist – und daß Breysig als Historiker einen außerordentlich weiten, interdisziplinären Horizont entwickelt hat, der von der Ökonomie bis zum Tanz, von der Verfassung bis zur Dichtung, von der sozialen Schichtung bis zum Glaubenssystem, von der politischen Organisation bis zur Alltagsgestaltung die jeweils thematisierten Kulturen in den Blick nimmt. Dabei finden sich, so auch im Irokesen-Kapitel, immer wieder reflexive Passagen, die Bewertungen von besonderen kulturellen Leistungen innerhalb der Stufe führen, auf welcher die Kultur der Irokesen angesiedelt ist: der Urzeit. Diese aber wird nicht als solche einmal zusammengefaßt und hinsichtlich ihrer Strukturen, Merkmale, Dynamiken charakterisiert. So fällt schwer zu verstehen, wie die darstellenden Partien innerhalb der universalhistorischen Stufenfolge einzuordnen sind: eben dafür ist die Lektüre von "Der Weg der Menschheit" hilfreich.

Es gibt viele Besonderheiten und Absonderlichkeiten bei Breysig. Man staunt über kleine Passagen über die Scham, über Dichterinnen bei den Aborigines, über die Rolle der Sexualität, die ihr als historisch bedeutendem Antrieb (neben Macht und Reichtum) zugebilligt wird, über die große und vorurteilsfreie Aufmerksamkeit für Gebärdensprache; man darf sich freuen über die regelmäßige Behandlung von Tanz oder Festriten, über die große Bedeutung, die der Entwicklung der Codes von Bild, Schrift und Zahl eingeräumt wird; man wird nicht im Stich gelassen, wenn man sich für Fragen der naturbearbeitenden, insbesondere agrikulturellen Techniken interessiert; durchweg wird den religiösen Formen, Symboliken und Riten Aufmerksamkeit gezollt; bei aller Betonung der transpersonalen Strukturgesetze wird niemals die Geschichtsleistung von Einzelnen vergessen [40] ; durchgehend wird die Entwicklung der Sprache und der Künste berücksichtigt; ein besonderes Gewicht erhält die Analyse der Rechtssysteme der Kulturen. Man ist auch über Proportionen erstaunt: 146 Seiten über die australischen Ureinwohner gegenüber 99 Seiten über die Griechen und 47 Seiten über das Christentum; die nordostafrikanischen Indianer-Stämme, vor allem die Irokesen, erhalten fast 200 Seiten, während der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter nur hundert Seiten mehr gegönnt wird. Man erkennt daran das Gewicht, das Breysig auf die Ur-, Früh- und Altertumsgeschichte legt – wahrlich nicht sein eigenes Feld.

Nicht sicher ist, ob die drei Nachlaß-Bände, bei längerer Lebenszeit Breysigs, nicht eine stärkere Durcharbeitung hinsichtlich seiner Theorie der spiralförmigen Stufenfolge erhalten hätten. Vieles wirkt wie ein Forschungsreferat, das nicht auf dem neuesten Stand ist. Andere Dinge berühren den heutigen Leser fast peinlich: so etwa die eklatante Unterschätzung der frühen orientalischen Hochkulturen, des Modernisierungspotentials der indischen, japanischen, chinesischen und südostasiatischen Gesellschaften oder das völlige Fehlen der USA auf der Bühne der "Neuesten Zeit". Doch stellt sich eine Lese-Spannung immer dann ein, wenn man die Bücher als das nimmt, als was sie sich von der Warte der reiferen Position von 1928 ausnehmen: als ein Groß-Experiment einer umfassenden Bewegungslehre, eben einer Kinetologie der Weltgeschichte.



[1] Breysig, Kurt: Aus meinen Tagen und Träumen. Memoiren, Aufzeichnungen, Briefe, Gespräche. Aus dem Nachlaß hg. v. Gertrud Breysig & Michael Landmann. Berlin 1962.

[2] Breysig, Gertrud: Kurt Breysig. Ein Bild des Menschen. Heidelberg 1967.

[3] Breysig, Kurt: Vom Geschichtlichen Werden Bd. 2: Die Macht des Gedankens in der Geschichte in Auseinandersetzung mit Marx und Hegel; Stuttgart und Berlin 1926.

[4] Breysig, Kurt: Der Stufenbau und die Gesetze der Weltgeschichte; Berlin 1905. – In den 20er Jahren wäre hier vor allem zu nennen: Breysig, Kurt: Vom Geschichtlichen Werden Bd. 3: Der Weg der Menschheit. Stuttgart und Berlin 1928.

[5] Wehler, Hans-Ulrich: Die Herausforderung der Kulturgeschichte; München 1999.

[6] Dies gilt auch für Hardtwig, Wolfgang / Wehler, Hans-Ulrich (Hg.): Kulturgeschichte heute; Göttingen 1996.

[7] Nicht erst in Breysig, Kurt: Psychologie und Geschichte; Berlin 1939, sondern schon von der Erstauflage des ersten Bandes der "Geschichte der Menschheit" (1907) und von der "Kulturgeschichte der Neuzeit" (1900/1) finden psychologische Dimensionen des Geschichtsprozesses systematische berücksichtigung.

[8] Breysig (wie Anm. 1) S. 12.

[9]   Breysig (wie Anm. 1) S. 37.

[10] An Sylvester 1900 dem "Tage des Jahrhundertendes" notiert Breysig rückblickend ins tagebuch: "Im Sommer Nietzsches Tod und die Rede am Sarg – ein Höhenmoment in meinem Leben." (Breysig, wie Anm. 1, S. 102).

[11] Breysig (wie Anm. 1) S. 58/9.

[12] Breysig (wie Anm. 1) S. 78-82, hier: 81.

[13]   Breysig, Kurt: Kulturgeschichte der Neuzeit. Bd. 1: Aufgaben und Maßstäbe einer allgemeinen Geschichtsschreibung; Berlin 1900. – ders.: Kulturgeschichte der Neuzeit. Bd. 2 (in zwei Bdn.): Altertum und Mittelalter als Vorstufen der Neuzeit; Berlin 1901. Breysig untertitelte die Bände mit dem durchaus zwiespältig wirkenden Untertitel "Ein universalgeschichtlicher Versuch".

[14] Breysig, Gertrud (wie Anm. 2), S. 19.

[15] Breysig (wie Anm. 1); S. 82.

[16] Breysig, Kurt & George, Stefan: Gespräche – Dokumente. Amsterdam 1960.

[17] Breysig, Kurt: Die Geschichte der Menschheit; Bd. 5: Herrschaft der Könige – Herrschaft der Völker; Berlin 1955; S. 292-94. Noch im Mai 1940, wenig vor dem Tod, erbat sich Breysig, Verse aus dem "Teppich des Lebens" zu hören (so berichtet Gertrud Breysig in: Breysig, Kurt & George, Stefan, wie Anm. 16, S. 8).

[18] Breysig (wie Anm. 1); S. 45.

[19] Breysig, Gertrud (wie Anm. 2), S. 19.

[20] Breysig (wie Anm. 1); S. 93.

[21] Sieht man von der Erwähnung Adolf Bastians ab, den Vielschreiber unter den deutschen Ethnologen der imperialistischen Epoche.

[22] Ebd. S. 92.

[23] Tylor, Edward B.: Primitive Culture: Researches into the development of Mythology, Philosophy, Religion, Art, and Custom; 2 Bde. London 1994 (zuerst 1871).

[24] Breysig (wie Anm. 1); S. 103.

[25] Es ist ein denkwürdiger Zufall, daß Arnold Toynbee das kurze Vorwort zu Breysigs "Geschichte der Menschheit" von 1955 am "selben Morgen" schreibt, als er "die Korrektur [...] eines Werkes" abschließt, "das von annähernd ähnlichen Ausmaßen ist wie Breysigs 'Die Geschichte der Menschheit'" (Vorwort zu Bd. I). Toynbee spielt hier auf sein zwölfbändiges Hauptwerk "A study of history" an. Toynbee war von Oswald Spengler beeinflußt, der wiederum stark durch Breysig beeindruckt war.

[26] Ebd. S. 104.

[27] Ebd. S. 117. – Bei Herder denkt Breysig wesentlich an die "Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit" (1784) (In: Werke in 10 Bdn., hg. v. M. Bollacher, Bd. VI. Frankfurt /M. 1989).

[28] Sehr viel ausführlicher hat Breysig die Entstehung der Geschichtsschreibung, der Geschichtswissenschaft und der Universalhistorie von der Antike bis zur Gegenwart dargestellt in: Die Meister der entwickelnden Geschichtsforschung, Breslau 1936.

[29]   Breysig, Gertrud (wie Anm. 2), S. 27-9.

[30] Breysig (wie Anm. 1). S.15.

[31]   Breysig, Gertrud (wie Anm. 2), S. 29.

[32]   Als Breysig 1936 an seinen Freund Hans Driesch von dem neu gefertigten Band I der "Geschichte der Menschheit" berichtet, heißt es: "Im Grunde ist es nur die Wiederaufnahme des etwa 1896 begonnenen Hauptwerkes, das eigentlich mein Lebenswerk werden sollte. [...] Dann hat sich die Zwischenschicht meines Lebens dazwischen geschoben, die fast durchweg der Geschichtstheorie gewidmet gewesen ist: in den Jahren 1925-1936 habe ich 12 Bände veröffentlicht, die alle in diese Richtung gehen." (Breysig, wie Anm. 1, S. 147)

[33] Breysig (wie Anm.1), S. IX. – Pannwitz, der Breysig seit 1908 oder 1909 kannte, hatte auch zu der Festschrift zum 60. Geburtstag von Breysig einen kleinen Text beigesteuert, wie übrigens auch Werner Sombart (in: Geist und Gesellschaft. Kurt Breysig zu seinem 60. Geburtstag. Bd. 1: Geschichtsphilosophie und Soziologie; Bd. II: Geschichte und Gesellschaft; Bd. III: Vom Denken über Geschichte. Breslau 1927, hier: Bd. 1, S. 8-10). Im Anhang zu Bd. III befindet sich ein Schriftenverzeichnis der Arbeiten von Breysig.

[34] Vgl. Balint, Michael: Angstlust und Regression. Ein Beitrag zur psychologischen Typenlehre; Stuttgart 1960.

[35] Breysig (wie Anm. 1), S. 126/7.

[36]   Ebd. S. 150.

[37] Breysig, Kurt: Vom Geschichtlichen Werden Bd. 3: Der Weg der Menschheit. Stuttgart und Berlin 1928, S. 19.

[38] Vgl. Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte; 2 Bde. 69.–71. Auflage München 1923, bes. die großen Falttafeln nach S. 67 welche die Gleichfförmigkeit von Geistspochen, Kulturepochen und Politischen Epochen in den Kulturkreisen belegen sollen.

[39] Breysig (wie Anm. 1), S. 154ff. – Das Problem des Verhältnisses von kausal determinierten Bewegungen und Selbstbewegung wird gründlich behandelt in: Breysig, Kurt: Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte;Breslau 1933, S. 246-442. Dieses Buch ist übrigens Niels Bohr gewidmet.

[40] Das aktive wie passive Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte behandelt Breysig in: Vom Geschichtlichen Werden Bd. 1: Persönlichkeit und Entwicklung; Stuttgart und Berlin 1925.

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